Steinbach wird in Polens Politik zum Tabu

[ Nach unten  |  Zum letzten Beitrag  |  Thema abonnieren  |  Neueste Beiträge zuerst ]


redaktion
Administrator

44, Männlich

Beiträge: 2408

Steinbach wird in Polens Politik zum Tabu

von redaktion am 06.01.2010 18:17




Steinbach wird in Polens Politik zum Tabu
Von Jacek Lepiarz, dpa

Warschau - Vor nicht allzu langer Zeit kommentierten Polens Politiker aus Regierung und Opposition jede Äußerung der Vertriebenen-Präsidentin Erika Steinbach und die Journalisten verfolgten sie auf Schritt und Tritt. Doch das ist schon Geschichte. Selbst der Name der BdV-Chefin scheint inzwischen in der politischen Klasse an der Weichsel ein Tabu zu sein. Während der Sitzung des Auswärtigen Ausschusses im polnischen Parlament nahm jedenfalls Polens Außenminister Radoslaw Sikorski am Mittwoch das «Unwort» kein einziges Mal in den Mund.

Er freue sich, dass in der deutschen Debatte über den Beirat der Vertriebenen-Stiftung der polnische Standpunkt berücksichtigt werde, sagte der Chef der polnischen Diplomatie. Dass einige Politiker in Deutschland das Risiko eingingen, zu handeln, um den Ambitionen einer «gewissen deutschen Politikerin» ein Ende zu setzen, betrachte er als einen Erfolg seiner Politik. «Die Beziehungen zu Deutschland sind gut und werden immer besser», stellte Sikorski lapidar fest. Eine einzige Abgeordneten-Frage zu Steinbach, gestellt von einem nationalkonservativen Parlamentarier, ignorierte er schlicht.

Auch andere ranghohe Vertreter Polens hüllten sich konsequent im Schweigen. Der polnische Deutschlandbeauftragter Wladyslaw Bartoszewski meldete sich mit keinem Wort aus seinem Winterurlaub in Zakopane. Ministerpräsident Donald Tusk verzichtete nach der Kabinettssitzung am Dienstag gar auf eine Pressekonferenz, obwohl er sich sonst gern den Fragen der Journalisten stellt. «Kein Kommentar», lautete die Standardantwort der Politiker auf Fragen nach Steinbach.

Beim Streit um den Einzug der Vertriebenen-Präsidentin in den Stiftungsrat warte Warschau auf ein Machtwort von Bundeskanzlerin Angela Merkel, hieß es aus Warschauer Regierungskreisen. In seinem letzten Fernsehinterview im vergangenen Jahr sagte Bartoszewski, ihn interessiere nur eine einzige politisch aktive Frau in Deutschland - Angela Merkel. Was 42 Millionen andere Frauen in Deutschland tun, sei eine deutsche Angelegenheit, die ihn nichts angehe, erklärte der 87- jährige ehemalige Auschwitz-Häftling mit schelmischem Lächeln.

Mit dieser Taktik zeigt Polens Führung, dass sie aus den früheren Niederlagen in der Auseinandersetzung um die ungeliebte BdV-Chefin, die in Polen nach wie vor eine Reizfigur ist, gelernt hat. Denn als Steinbachs Einzug in den Stiftungsrat vor einem Jahr erstmals ins Gespräch gebracht wurde, ließen die Regierenden in Warschau schweres Geschütz gegen sie auffahren. Für Empörung sorgten in Deutschland einige Bartoszewski-Äußerungen, etwa, als er Steinbach eine «Anti- Polin» nannte.

Das harte Vorgehen Warschaus führte damals dazu, dass der BdV den für Steinbach vorgesehenen Sitz im Stiftungsrat vorläufig unbesetzt ließ. Doch auch polnische Kommentatoren sprachen vom «Pyrrhussieg».

Trotz geänderter Taktik hält Polen an seinem Einspruch gegen Steinbach fest. Aber auch mehr Macht für den Bund der Vertriebenen in der Stiftung als Gegenleistung für Steinbachs Rückzug ist aus Warschaus Sicht keine Option. Warschau fürchtet, dass ein Museum, das unter der Kontrolle der Landsmannschaften stünde, keine historische Objektivität garantieren kann. Die Angst vor einer Relativierung deutscher Kriegsverbrechen steckt den Polen tief in den Knochen.

Bei seinem Einspruch gegen Steinbach beruft sich Bartoszewski immer wieder auf ein angebliches «Gentlemen's Agreement» vom Februar 2008. Damals soll er bei einem Treffen in Warschau mit deutschen Politikern eine Grundlage für eine Verbesserung der Beziehungen vereinbart haben. Personen, die das deutsch-polnische Verhältnis störten, sollten danach aus dem Verkehr gezogen werden. «Wir haben diese Vereinbarung eingehalten», betonte Bartoszewski. «Abwarten», erwiderte er auf die Frage, ob auch die Deutschen ihr Wort hielten.

Das Schweigen der Politik rief die Medien auf den Plan. Die Kommentatoren der Mittwochs-Zeitungen machten aus ihrem Ärger über Steinbach keinen Hehl, obwohl auch ihre Texte mit geringerer Leidenschaft als noch vor einem Jahr geschrieben schienen. Vom «Schein-Kompromiss» und einem «falschen Friedenszeichen» schrieb «Polska». Wenn Steinbach sich durchsetze, würde sie praktisch über alles in der Stiftung und Museum entscheiden, warnte «Rzeczpospolita». Für «Gazeta Wyborcza» bedeutet die Erfüllung der Steinbach-Postulate, dass die BdV-Leute das Museum für die Verbreitung ihres Geschichtsbildes von den «unschuldigen deutschen Opfern der Polen und Tschechen» nutzen würden. «Der Preis ist hoch», hieß es in «Gazeta Wyborcza».

Antworten Zuletzt bearbeitet am 06.01.2010 18:19.

« zurück zum Forum