So nicht! - Grüne rufen auf zum »Heißen Herbst« gegen Atomkraft

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So nicht! - Grüne rufen auf zum »Heißen Herbst« gegen Atomkraft

von redaktion am 30.08.2010 16:34




Grüne rufen auf zum »Heißen Herbst« gegen Atomkraft


Roth

Zum heutigen Beschluss des Bundesvorstandes erklärt Claudia Roth, Bundesvorsitzende von BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN:

Das Energiegutachten, das Schwarz-Gelb in Auftrag gegeben hat, ist das
Papier nicht wert, auf dem es geschrieben ist. Nicht nur, dass die
wahren Anteile der erneuerbaren Energien gering gerechnet wurden, es
fehlt auch jegliche Vergleichbarkeit mit dem Status Quo. Folgekosten
durch Sanierungsmaßnahmen, das ungelöste Atommüllproblem und das Risiko,
dem die gesamte Bevölkerung ausgesetzt wird, sind nicht annähernd in
Betracht gezogen worden.

Wie fragwürdig diese Untersuchungen sind, zeigte auch die heutige
janusköpfige Vorstellung des Gutachtens durch Umweltminister Röttgen und
Wirtschaftsminister Brüderle.

Eine Verlängerung der Laufzeiten ist eine unmissverständliche
Kampfansage an die Mehrheit der Menschen in diesem Land, die gegen eine
Verlängerung sind. Egal, ob am Ende 4, 11 oder 20 Jahre verhandelt
werden: Wir werden uns mit allen politischen und juristischen Mitteln
gegen diese Pläne stellen.“


Beschluss des Bundesvorstands unter Zustimmung der Landesvorsitzenden

In diesem Herbst spitzt sich der energiepolitische Kurs Deutschlands zu:
mit Atom zurück ins letzte Jahrtausend oder mit den Erneuerbaren ab in
die Zukunft. Schwarz-Gelb will die Rolle rückwärts, zurück in ein
Atomzeitalter ohne Ausstiegsbeschluss. Mit der geplanten
Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke reißt die Bundesregierung einen
der größten, mit dem Ausstiegskonsens von Rot-Grün längst befriedeten
Konflikt in der Geschichte der Bundesrepublik wieder auf. Sie geht damit
auf Konfrontationskurs zur großen Mehrheit der Bevölkerung. Merkel,
Westerwelle, Seehofer und Co. riskieren den inneren Frieden, die
Sicherheit von Millionen von Menschen und immer weiter anwachsende Berge
von hoch verstrahltem Atommüll – eine aberwitzige Zukunftshypothek auf
eine profitgierige Klientelpolitik.

Dabei bleiben die schwarz-gelben Atom-Hasardeure jede Antwort darauf
schuldig, wozu die Laufzeitverlängerungen überhaupt notwendig sind. Eine
Studie des Umweltbundesamtes hat es ebenso gezeigt wie das Gutachten des
offiziellen Beratungsgremiums der Bundesregierung, des
Sachverständigenrats für Umweltfragen: Erneuerbare Energien machen
Atomstrom bereits im Jahr 2021 völlig überflüssig. Auch die am
Wochenende bekannt gewordenen Berechnungen zu den Energieszenarien
belegen: Weder droht ohne eine Verlängerung der AKW-Laufzeiten eine
Versorgungslücke, noch wird durch die weitere Nutzung der Atomenergie
die Entwicklung des Strompreises nennenswert beeinflusst.

So schwenkt Schwarz-Gelb nun um auf ein völlig haltloses Argument, um
die bereits beschlossene Laufzeitverlängerung zu retten und rechnet die
Atomkraft zur klimafreundlichen Musterenergiequelle schön. Die
Bundesregierung hat ein Energiegutachten als Grundlage für ihr
Energiekonzept in Auftrag gegeben mit der Prämisse, dass nur bei
AKW-Laufzeitverlängerungen aktiver Klimaschutz betrieben, die
Energieeffizienz gesteigert und der Ausbau der Erneuerbaren Energien
dynamisch vorangetrieben wird, während ohne Laufzeitverlängerungen genau
das nicht passiere. Für solch ein Ergebnis mussten die Gutachter jedoch
die wahren Anteile der Erneuerbaren Energien gering rechnen und
alternative Szenarien zu Laufzeitverlängerungen ausblenden. Der Status
Quo mit einem Atomausstieg bis 2021 wurde bewusst nicht in die
Berechnungen mit einbezogen, so dass ein ehrlicher Vergleich der
Szenarien unmöglich ist. Ebenso werden in dem Gutachten die
CO2-Belastungen bei der Förderung, Anreicherung und beim Transport von
Uran völlig ignoriert. Damit ist das Energiekonzept der Bundesregierung
bereits vor seiner Bekanntgabe das Papier nicht wert, auf dem es bis
Ende September formuliert wird.

Aber es geht der Bundesregierung mit ihrem Energiekonzept auch nicht um
eine Entscheidungsgrundlage, ab wann die Energieversorgung in
Deutschland frühestens mit Erneuerbaren Energien gesichert werden kann.
Es geht beim Energiekonzept der Bundesregierung nur darum, die längst
beschlossenen Laufzeitverlängerungen auch mit krudesten Argumenten zu
rechtfertigen und vermeintlich verfassungskonform am Bundesrat vorbei zu
zocken. Dafür ist der Bundesregierung jedes Mittel recht. Dass die
Aufgaben der Länder bei einer Verlängerung der Laufzeiten erweitert
würden und damit ein Verlängerungsbeschluss zustimmungspflichtig wäre,
interessiert sie ebenso wenig wie das Gutachten vom ehemaligen
Präsidenten des Bundesverfassungsgerichtes Hans-Jürgen Papier, das genau
zu diesem Ergebnis kommt. Auch dass neun, darunter CDU-geführte
Bundesländer sich gegen eine Laufzeitverlängerung ohne Beteiligung des
Bundesrates aussprechen und dagegen vorgehen wollen, ficht Schwarz-Gelb
nicht an.

Damit macht sich die Bundesregierung vollends zum unglaubwürdigen Büttel
einer vertragsbrüchigen Atomindustrie, die noch vor zehn Jahren
freiwillig den Atomausstieg unterzeichnet hatte. Die Regierung
zementiert die Oligopolstruktur auf dem deutschen Energiemarkt und
verhindert den freien Wettbewerb. Leittragende sind nicht nur
VerbraucherInnen und die Anbieter alternativer Energieformen, sondern
auch zahlreiche Stadtwerke, die zu Recht befürchten, dass ihnen die
Möglichkeiten einer dezentralen, eigenverantwortlichen Energieversorgung
aus den Händen geschlagen wird.

Gleichzeitig bereitet Schwarz-Gelb die Lesart ihrer Entscheidung für
Laufzeitverlängerungen als vermeintlichen Akt des Aufbegehrens gegen die
Atomindustrie vor. Mit vagen Ankündigungen zur Förderung Erneuerbarer
Energien und zu erhöhten Sicherheitsauflagen für Atomkraftwerke lenkt
sie von ihrem sturen Festhalten an der Risikotechnologie Atom ab. Doch
auch die ausgefeiltesten Sicherheitstechniken werden das Gesamtrisiko
der Atomenergienutzung nur minimal senken. Atomkraft ist eine
Hochrisikotechnologie, deren Gefährdungen durch Terror, Unfälle,
Super-Gaus, erhöhte Krebsgefahr oder das ungelöste Müllproblem nicht zu
beherrschen sind. Deshalb gilt: Jede Laufzeitverlängerung ist ein
Anschlag auf die Sicherheit der Bevölkerung. Der verhandelte
Atomausstieg mit der schrittweisen Abschaltung aller AKWs bis 2021 ist
alternativlos. Und die ältesten, unsichersten Atomkraftwerke müssen
sofort vom Netz. Die Brücke Atomkraft darüber hinaus führt in den
Abgrund für die Erneuerbaren – und hinterlässt kommenden Generationen
ein ungelöstes Müllproblem.

Die Mehrheit der Menschen in Deutschland hat genug von der Atomenergie
und den Tricks dieser Regierung. Das haben die 150.000
Atomkraft-GegnerInnen eindrucksvoll bewiesen, die im April mit der
Menschenkette zwischen Krümmel und Brunsbüttel, der Demonstration in
Ahaus und der Umzingelung von Biblis A protestierten. Und das hat die
Wahl in Nordrhein-Westfalen gezeigt, bei der die Atomparteien CDU und
FDP krachend abgewählt wurden.

Doch das war erst der Anfang: In diesem Herbst erhöht sich der Druck auf
Schwarz-Gelb von allen Seiten und mit aller Kraft. Die Bundesregierung
hat mit ihren Plänen Wind gesät und wird dafür einen Proteststurm ernten
– bei zahlreichen Aktionen und Demonstrationen in ganz Deutschland,
unter anderem bei der Demo in München am 9. Oktober und der zentralen
Großdemonstration »Atomkraft: Schluss jetzt!« in Berlin am 18.
September. Gemeinsam mit einem breiten Bündnis werden wir das
Regierungsviertel in Berlin umzingeln und ein Zeichen gegen die
unverantwortliche Atompolitik von Schwarz-Gelb setzen.

Bei der großen Anti-Castor-Demo in Dannenberg Anfang November
widersetzen wir uns der skandalösen Entsorgungspolitik von Schwarz-Gelb.
Denn klar ist: Gorleben wurde aus politischen Gründen und nicht auf
Grund geologischer Eignung gewählt und kann deshalb als Atommülllager
nicht in Frage kommen. Es ist ein gesellschaftspolitischer Affront, dass
zeitgleich zum 30. Jubiläum der Freien Republik Wendland das Moratorium
für die Erkundung aufgehoben und ein zynischer Versuch gestartet wird,
Gorleben als Atommüllendlager auf Teufel komm raus durchzudrücken.
Dagegen werden BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bundesweit mobilisieren und mit den
AtomkraftgegnerInnen vor Ort auf die Straße gehen.

Wir wollen den gesellschaftlichen Großkonflikt, den Schwarz-Gelb
heraufbeschwört, in seiner ganzen Breite deutlich machen. Dazu werben
wir auf allen Ebenen und im Rahmen der Anti-AKW-Bewegung um Bündnisse
mit Verbänden, Kirchen, Gewerkschaften, Stadtwerken und Handwerkskammern.

Antworten Zuletzt bearbeitet am 30.08.2010 16:49.

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