Libyen

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Libyen

von redaktion am 18.03.2011 12:58




Libyen


von Brandenstein

In überraschender Deutlichkeit hat der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen die Errichtung einer Flugverbotszone über Libyen beschlossen. Trotz aller Risiken und Unwägbarkeiten bin ich erleichtert über diese Entscheidung und zugleich betrübt darüber, mein Land in der Gesellschaft Chinas und Russlands (und auch von Venezuelas Chávez, einem engen Verbündeten Gaddafis) zu sehen.

Doch Entscheidungen über militärische Einsätze, d.h. über Frieden und Krieg, können und dürfen niemals leichtfertig getroffen werden. Kategorien wie „richtig“ und „falsch“ werden der Thematik nicht gerecht. Es existieren immer gute Gründe, normativ-moralische wie realpolitische, die gegen eine militärische Interventionen sprechen. Deutschland kam in seiner Abwägung zu einem anderen Ergebnis als seine Verbündeten und hat sich in der entscheidenden Stunde der Stimme enthalten. Diese Entscheidung muss man nicht goutieren, respektieren muss man sie aber allemal.

In der Konsequenz werden unsere Soldaten nicht an der militärischen Intervention teilnehmen, die entgegen dem beschlossenen Resolutionstext sehr wohl schon bald in einem Bodenkrieg münden könnte. Für die Freiheit der Libyer werden Briten, Franzosen und Amerikaner nun ohne unsere militärische Hilfe kämpfen müssen. Man sollte nicht vergessen, dass unsere Verbündeten auch in Kauf nehmen, dass ihre Soldaten im Einsatz fallen und ihre Städte wieder verstärkt ins Visier des Terrorismus geraten. Wer dieser Opferbereitschaft statt mit Respekt nur mit den zynischen und intellektuell überschaubarem Verweis auf amerikanischen Erdöldurst begegnet, hat nicht verstanden, wie moderne und demokratische Zivilgesellschaften funktionieren. Er will es vielleicht auch nicht verstehen, da die ressentimentgesättigte Welt diffuser imperialistischer Verschwörungstheorien tatsächlich übersichtlicher ist als die hochkomplexe Realität.

Nicht zuletzt aus Respekt gegenüber unseren Verbündeten, aber auch aus bedeutsamen moralischen Gründen, sollte sich die deutsche Regierung davor hüten, den Eindruck zu erwecken, die Enthaltung im Sicherheitsrat sei eine Flucht Deutschlands aus der Verantwortung.

Gerade wegen des deutschen Votums und der Entscheidung gegen den Einsatz deutscher Soldaten sollte sich unser Land nun in einer besonderen Verpflichtung für eine restriktive Durchsetzung der Sanktionen und für effektive humanitäre Hilfe für die Opfer des Konfliktes sehen. Das heißt letztlich für den hoffentlich bald beginnenden Wiederaufbau des Landes und vor allen anderen Dingen für die Flüchtlinge, die nun umso verzweifelter vor den Toren der Festung Europa stehen. An diesen Fragen wird sich der tatsächliche moralische Substanzgehalt des deutschen Regierungshandelns messen lassen.

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Der Autor diente ab Anfang 2007 als Chief-of-Staff von Karl-Theodor zu Guttenberg in Berlin. Diesem folgte Brandenstein Ende 2008 als Leiter Strategie und Kommunikation in die Landesleitung der CSU. In dieser Funktion - verantwortlich für die Kampagnenführung der CSU - erstellte Brandenstein ein vertrauliches Strategiepapier, in welchem er gegen eine "Anti-Türkei-Kampagne" der CSU bei den Europawahlen 2009 Stellung nahm. Inzwischen ist Philipp von Brandenstein aus der CSU ausgetreten.

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