Ist der Euro noch zu retten? Oder: Von allen guten Geistern verlassen

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Ist der Euro noch zu retten? Oder: Von allen guten Geistern verlassen

von redaktion am 16.05.2011 10:20




Ist der Euro noch zu retten?
Oder
Von allen guten Geistern verlassen

von polis-Gastautor Thomas de Torquemada

Seit Jahr und Tag habe ich zum ersten Male wieder die Talkshow von Anne Will gesehen,
welche sich das in der Überschrift genannte Thema gegeben hatte, aber besser überschrieben
worden wäre mit dem obigen, folgenden Untertitel.

Frau Will war einmal die Sprecherin der Tagesschau, urde dann dadurch bekannter, ihre
Lebensgefährtin geheiratet zu haben. Hierbei hätte sie es schlicht belassen sollen, denn ihre
Passion für das Talkfach setzt die Welt nun wirklich unnötigen Qualen aus.

Der Kameraschnitt allein kann bei dem ein oder anderen zartbesaiteteren Zuschauer schon
epileptische Anfälle auslösen, die unsäglichen Einspieler, die Fragen der Moderatorin, die
zwischen unsäglich naiv, tumb albern und nervig unterbrechend schwanken, bei solchen, die
wirklich am Thema interessiert sind und nicht am auf bildungsbürgerliche Verhältnisse
heruntergebrochenen Krawall, zu zorngetragenen Krampfanfällen.

Punktum, eine Sendung die ich mir bisher gespart habe und mir zukünftig wieder sparen
werde, ein unausgegorener Mist einer Moderatorin, die offensichtlich stärker am
medienwirksamen Schütteln ihrer Haarpracht in die Kamera hinein stärker interessiert ist als
an der halbwegs flüssigen Ergründung eines Themas. Ein schlicht und ergreifend vollkommen
unnützes Machwerk einer Frau, die wohl hervorragend Nachrichten vorlesen mag, geht es
aber darüber hinaus, eine glatte Stümperin ist.

Erinnere man sich an jene NDR – Talkshow, die dadurch legendär wurde, daß Klaus Kinski
an jenem Abend in über einer Stunde auf keine an ihn gerichtete Frage antwortete und absolut
nichts sagte, so hatte dies noch das Reizvolle des Kuriosen, während die heutige Anne – Will
– Sendung an Erkenntnisgewinn und Informationsgehalt diesen historischen Vorgänger noch
um Längen unterboten hat.

Es liegt ja nicht allein an der Art und Weise des Moderators, Fragen zu stellen und den
Diskussionslauf in Schwung zu halten, sondern auch an der Auswahl der Gäste, für welche,
gerade dann, wenn der Moderator sich anmaßt, der Sendung den eigenen Namen zu geben, im
Zweifel auch er selbst verantwortlich zeichnet. Gelingt es dem Moderator dann auch noch,
mit seiner Auswahl der Gäste und seiner Kunst des Fragestellens der Sendung Schwung zu
geben, so heben sich selbst Mängel in der Gästeliste wie im Fragenkatalog gegenseitig auf.
Frau Will ist es am heutigen Abend gelungen, mittels ihrer Auswahl in beiden Kategorien aus
einer Sendung, die in ihrer durchaus platten Überschrift nichtsdestotrotz ein breit
interessierendes Thema ansprach eine unsägliche, alberne Narretei zu gestalten.

Von den sechs Teilnehmern, fünf Gästen, nämlich Edmund Stoiber, Jorgo Chatzimarkakis,
Annia Kohl, Max Otte, Rolf Hochhuth und einer Moderatorin, waren mindestens vier
Teilnehmer überflüssig.

Bei Herrn Hochhuth drängte sich die Frage förmlich auf, was ausgerechnet er dort verloren
habe. Vom Sender wurden seine Qualitäten als Talkgast wie folgt gepriesen: „Seine Werke
setzen sich häufig mit der NS-Vergangenheit, aber auch mit aktuellen politischen und sozialen
Fragen auseinander. Hochhuths Schaffen verursacht einige Skandale und zieht juristische
Auseinandersetzungen nach sich.“

Er mag ein bedeutender Dramatiker sein, seine bis zur Peinlichkeit grenzende
Ahnungslosigkeit von Finanz- und Wirtschaftswelt allerdings ließ dem Zuschauer den
Schreck des Fremdschämens derart in den Adern gerinnen, führte Herr Hochhuth penetrant
den Beweis an, daß auch die Intelligenzia auf ihr fremden Gebieten nichts anderes kann, als
die von ihr so oft geschmähten Stammtischparolen unters Volk zu bringen, daß unwillkürlich
die Hand an der Fernbedienung zum Wegschalten zuckte.

Nur ein Mal gelang es ihm, eine Brücke zwischen aktueller Wirtschafts- und Finanzpolitik
(wenn auch nur am Rande) und seinem dramatischen Steckenpferd, dem Nationalsozialismus,
zu schlagen. Als die Rede irgendwie natürlich dorthin trudelnd auf das Geheimtreffen der
Finanzminister in Luxemburg kam und daß Finanzminister Schäuble darüber sinniere, wie
man den Maulwurf im eigenen Hause zu Strecke bringen bzw. zukünftig verhindern könne,
zeterte Hochhuth los (nicht ganz unberechtigt, führt man sich all die Ideen jenes Schäuble als
Innenminister vor Augen): Das seien Nazimethoden und wer seine Beamten sogar
wahrscheinlich nicht allein verwanzen, sondern auch noch auf dem Scheißhaus bespitzeln
wolle, gehöre nicht in dieses Amt. Damit war das herzerfrischendste des Abends auch schon
gesagt.

An dieser Stelle schaltete sich der zweite, teils in zweifelhaften Ehren ergraute Senile der
Runde ein, um seinem Freund Schäuble beizuspringen. Selbstredend war es Edmund Stoiber,
welcher diese Anschuldigung auf seinem Parteifreund nicht sitzen lassen konnte und selbigen
mit den allseits bekannten, vielgehörten Phrasen verteidigte, zusammengefasst: „Nein, so
nicht, nicht in diesem Ton.“

Zuvor hatte er seinen Einstand gegeben, indem er, wie es für einen Konvertiten üblich ist, ein
wenig allzu heftig darauf pochte, was für ein großartiger Befürworter der europäischen Idee er
doch geworden sei. Er, ja er, und vor allem: er, ganz allein, als einziger Rufer in der Wüste
(wobei wie der lästige Duft nach dem Schälen einer Zwiebel an den Fingern der Unterton an
seiner Rede klebte, wie wenig doch der Prophet im eigenen Land gilt) habe damals davor
gewarnt, Griechenland in die Währungsunion mitaufzunehmen, ihm sei es schon klar
gewesen, daß sich dieses Land die Kriterien erschlichen habe, man habe ihn aber als
rückständigen Hinterwäldler aus Bayern abgetan. Schwamm drüber, der Fehler sei geschehen,
heute ginge es um mehr, das sei keine Eurokrise, sondern mehr eine Krise der europäischen
Idee, eine Krise der Demokratie, heraufbeschworen durch die Unverantwortlichkeit des
Schuldenmachens, eine Verschuldungskrise, wofür auch die Politik und die Banken
Verantwortung trügen.

An diesem Punkt wurde es interessant bzw. hätte es interessant werden können. Doch muß
man, wie gesagt, bedenken, daß die Fragen von Anne Will gestellt wurden – oder gerade
nicht.

Denn den unbedarften Zuschauer kribbelte es, ja hielt es kaum auf dem Sitz, dem
selbstgerechten Paulus, der sich darstellte, als sei er hierzu vom Saulus mutiert, die Frage ins
Gesicht zu schleudern, wie er es denn mit der eigenen Verantwortung für´s Finanzdebakel
halte. Ob es vielleicht mit dem hinterwäldlerischen, provinziellen Bayern doch nicht soweit
hergeholt gewesen sei, als finanzpolitische Großmannssucht dazu verleitete, in München eine
zweite Finanzmetropole installieren zu wollen durch Erwerb einer seltsamen Bank aus
Haiders Händen, die mit dem Gaul und dem Maul alles gemeinsam hatte, außer daß sie
geschenkt wurde? Und der Verantwortung für Schulden, derer man sich in einem
Untersuchungsausschuß stellen sollte, sich dann aber an nichts erinnerte, außer, daß es wohl
die Untergebenen verbockt hätten.

Herrn Stoiber wiederum sprang Herr Chatzimarkakis bei, der laut Kurzdossier des Senders
neben diversen Studien und Stationen auch Unternehmensberater und derzeit Mitglied des
europäischen Parlamentes sei.

Der Name sagt es schon, er entpuppte sich als Halbgrieche, und da sich trotz des
weitergefaßten Titels im Ergebnis der Abend doch nur um Griechenland drehte, ist es nicht
verwunderlich, daß selbiger eine gewisse Sonderstellung in der Runde einnahm: Als
Befürworter der Rettung Griechenlands und Europäer stellte er redaktionsbestimmt so etwas
wie den Buhmann, den Brunnenvergifter, den Kulminationspunkt der Aversionen des
Fernsehabends in plakativer Weise dar. Und tatsächlich war er, halb Grieche, halb
Unternehmensberater, nicht gerade der Sympathieträger der Runde. Sein etwas ölig –
gelecktes Aussehen und seine nichtssagende, phrasenhafte Geschwätzigkeit, seine gegenüber
Stoiber durchaus als kriecherisch zu beschreibende Art passten ihn der Subsumtion nach
sowohl in das Bild eines Unternehmensberaters wie in das Klischee eines schmierigen
Kellners in einem schäbigen griechischen Restaurant ein. Eigentlich war er noch viel eher als
Herr Hochhuth die Witzfigur der illustren Runde. Besonders seine Anbiederung an Stoiber,
dem er gönnerisch bis liebedienerisch bekundete, wie sehr man den Saulus gefürchtet habe,
um im ersten Gespräch dann festzustellen, was er doch für ein europäischer Paulus geworden
sei, ließ seiner Haartracht eine auf die Persönlichkeit bezogene allegorische Bildhaftigkeit
zukommen, die auch mit schlechtem griechischem Essen synonym geht: das Ölige bis hin
zum Arschkriechertum.

Was hatte er zum Thema zu sagen? Nun ja, als Unternehmensberater üblich, nichts mehr als
phrasenhafte Geschwätzigkeit, die an Erkenntnisgewinn folgendes zu Tage förderte: Wir
können, wir müssen, alternativlos, Europa, alles den Bach runter, harte Auflagen für
Griechenland.

Der vierte überflüssige Teilnehmer in der Runde war ausnahmsweise kein Gast, sondern, wer
hätte das gedacht, die Gastgeberin selbst. Vielmehr als das, was oben bereits geschrieben, ist
dazu auch nicht zu sagen.

Es bleiben zwei, die letztlich auch überflüssig waren, was allerdings nichts damit zu tun hat,
daß das, was sie zu sagen gehabt hätten, ebenso überflüssig gewesen wäre wie der Schund der
zuvor bedachten vier. Nein, hätte man sie gelassen und den übrigen vieren schlicht das Maul
verboten, hätte es eine durchaus interessante Sendung geben können. Allein – man ließ sie
nicht, nicht einmal im Ansatz. Die Gästeliste einschließlich Anne Will hätte man auf Otte und
Kohl beschränken können und beide einfach ein Gespräch unter vier Augen vor einer Kamera
(ohne das hektische hin- und her einer ersichtlich gelangweilten Bildregie) führen lassen
sollen, möglichst auch noch ohne Publikum, das im Wesentlichen dadurch störte, nicht allein
jeden verbalen Mist claqueursmäßig zu beklatschen, sondern hierdurch (neben dem
Eingreifen durch tumbe Fragen seitens Frau Will) jegliche Diskussion im Keim zu ersticken.
So verkam das wenige, was die beiden sagen durften zu den sprichwörtlichen Perlen vor die
Säue. Man merkte, daß hier zwei Positionen sich formierten, die fähig gewesen wären, etwas
zu erklären, zu erforschen, zu intensivieren und – insbesondere etwas, das man in dem eitlen,
hohlen Geschwätz der übrigen vollständig vermisste – Erklärungsversuche wie
Lösungsansätze zu unterbreiten. Allein hieran bestand offensichtlich kein Interesse.

Was bleibt an Fazit:

Zum einen, daß Stoiber zwar braungebrannt wie nach einem Griechenlandurlaub und weniger
stotternd auftrat, er dem Volk aber genauso viel zu sagen hat wie zu jener Zeit, bevor er zum
überzeugten Europäer mutierte.

Daß Klischees in personam von Europäischen Parlamentariern manchmal doppelt, ja sogar
mehr als zuträglich sich der Wahrheit annähern.

Daß ältere Dramatiker viel zu sagen haben, es aber nur auf dem Gebiet tun sollten, auf
welchem sie sich auskennen, was wiederum die Sache arg einschränkt.
Daß der Prophet im eigenen Land nichts gilt, womit Sie, Herr Stoiber allerdings am
allerweingsten gemeint sind.

Und zuletzt – ein Appell – Anne Will wieder Nachrichten vorlesen sollte, mehr nicht:
Schuster, bleib bei Deinen Leisten!

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