Friedrich scheitert!

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Friedrich scheitert!

von redaktion am 31.03.2011 11:12




Friedrich scheitert!
von polis-Gastautor Philipp Freiherr von Brandenstein


von Brandenstein

Die Erosion der schwarz-gelben Bundesregierung hat sich in den letzten Wochen und Tagen weiter beschleunigt. Bundesinnenminister Friedrich hat den jüngsten Beitrag hierzu geliefert. Nach nur einer einzigen Islamkonferenz kündigten führende Vertreter der muslimischen Deutschen an, aus der Veranstaltung auszusteigen, da sie den Minister in dieser Thematik als nicht diskursfähig ansehen.

Tatsächlich war Friedrichs erste Islamkonferenz eine glatte Themaverfehlung. Statt über die „Einbürgerung des Islam auf dem Boden des deutschen Grundgesetzes“ (so Cem Özdemir) zu debattieren, trug Friedrich den muslimischen Deutschen eine „Sicherheitspartnerschaft“ zur Terrorabwehr an.

Damit vermischte der Minister nicht nur in unbotmäßiger Weise Sicherheits- und Integrationspolitik. BM Friedrich unterstellte mit dem Vorstoß auch implizit, dass eine solche Partnerschaft zwischen Behörden und Muslimen bisher eben nicht bestanden habe. Das ist nicht nur missverständlich, sondern zudem nachweislich falsch. (vgl. http://dontyoubelievethehype.com/2011/03/friedrichs-forderung-der-sicherheitspartnerschaft-ist-kalter-kaffee/). Friedrich und seine Beamten im BMI kennen offenbar nicht einmal die Aktenlage der eigens einberufenen Islam-Konferenz.

Das Angebot offenbart demnach nicht nur eine peinliche Ignoranz, sondern auch ein tief verwurzeltes Misstrauen gegen die eigenen Landsleute muslimischer Konfession. Schlimmer noch: Hier manifestiert sich ein Generalverdacht gegen eine ganze Bevölkerungsgruppe, Islamismus und letztlich sogar terroristische Aktivitäten zu verharmlosen und zu dulden.

Der fragwürdige Vorstoß Friedrichs, der von der Mehrheit der Angesprochenen zurecht als vergiftetes Angebot wahrgenommen wurde, war leider nicht einmal sehr kreativ. Vielmehr wurde die Initiative von Tea-Party-Aktivisten schlicht abgekupfert (vgl. The Economist, Lexington „ Muslims and McCarthyism“, 10. März 2011).

Die Ambivalenz und unmissverständliche Missverständlichkeit des Angebots einer „Sicherheitspartnerschaft“ war trotz der erst kurzen Amtszeit des Ministers kein Einzelfall, sondern folgt vielmehr einem Schema, das sich bei Friedrich schon seit seinem Amtsantritt verfolgen lässt.

Bereits auf der Pressekonferenz zu seiner Amtseinführung brachte der Oberfranke sich bei vielen Mitbürgern ohne jede erkennbare Not in Misskredit, indem er in den Raum warf: "Dass der Islam zu Deutschland gehört, ist eine Tatsache – die sich auch aus der Historie nirgends belegen lässt".

Eigentlich musste einem der neue Bundesinnenminister an dieser Stelle fast ein wenig leid tun. Es wirkte fast schon anrührend, wie sich Hans-Peter Friedrich in der Folge seiner verschwurbelten Einlassung leidend in seinem eigenen Wortsalat wand. Ausgerechnet der akribische Jurist Friedrich wagte seinen rhetorischen Vorstoß, ohne den Wahrheits- und Sinngehalt seiner Einlassungen überhaupt überprüft zu haben. Nachdem er dies selbst bemerkt hatte, relativierte er seine Einlassungen und beteuerte umgehend, er habe seine (in diesem Kontext ja eigentlich ziemlich unmissverständlichen) Äußerungen gar nicht so gemeint, nur um genau diese nur Tage später schließlich doch fast wortgleich zu wiederholen.

Der Grund dafür, dass sich Friedrich fortwährend in seinen eigenen Formulierungen verheddert, liegt darin begründet, dass diese fragwürdigen Einlassungen eben gar nicht seinen eigenen Formulierungen sind. Zu eindeutig tragen die Leitkulturphrasen das Markenzeichen Seehofers und Dobrindts.

Der Druck auf Friedrich, sich derart einzulassen, kam aus München. Es war entlarvend, dass der frisch gebackene Minister Friedrich seine erste und verhängnisvolle Pressekonferenz an der Seite Seehofers bestreiten musste, der gestreng über die Erklärungen des Ministers wachte.

Denn islamophobe Ressentiments zu pflegen und die Leitkultur zu predigen, ist die erkennbare Anforderung, die Seehofer an seine Minister stellt. Der Vorsitzende einer mittlerweile von nackter Todesangst heimgesuchten CSU hat sein Thema gefunden und will es auf allen Ebenen umgesetzt wissen. Islamophobie kann als emotionaler Kampagnenbaustein verwendet werden, liegt dank Sarrazin auch in der Mitte der Gesellschaft voll im Trend und lenkt vom eigenen Versagen ab (z.B. Bayern LB). Zudem belastet xenophober Rechtspopulismus die maroden Haushalte (wieder BayernLB) zumindest nicht so direkt und unmittelbar wie der nach höheren Sozialtransfers schreiende Linkspopulismus.

Doch der von Haus aus seriöse und für heutige CSU-Verhältnisse ausgesprochen rationale lutherische Christ Friedrich ist eben kein geborener Demagoge. Er kann und will diese Rolle eigentlich nicht spielen. Friedrich beherrscht die niederträchtige Methodik der Ausgrenzung nicht. Im Gegensatz zu Seehofer ist er zu skrupulös. Im Gegensatz zu Dobrindt zu gebildet. So sitzt Friedrich nun zwischen allen Stühlen: Den CSU-Hardlinern, die sich noch stärkere Worte wünschen, und den muslimischen Deutschen, für die er sich als Gesprächspartner wohl endgültig disqualifiziert hat.

Friedrich ist damit nicht nur an den fragwürdigen Anforderungen seiner politischen Formation gescheitert, sondern auch den Anforderungen seines Amtes. Er ist somit schon nach wenigen Wochen zu einer weiteren Belastung für die Koalition geworden.

Diese Fehlbesetzung ist auch Angela Merkel anzulasten, denn das Innenministerium ist nicht mehr wie in den 80ern ein reines Polizeiministerium für law-and-order-Politiker, sondern ein Verfassungsministerium, dem faktisch auch der gesamte Themenkomplex Integration unterstellt ist. Die Entscheidung, ein solches Ressort ausgerechnet einem Vertreter der sich zunehmend rechtspopulistisch gerierenden CSU zu überlassen, demonstriert fehlenden politischen Instinkt und analytische Unvermögen.

So ist auch die missglückte Personalie Friedrich ein Indiz dafür, dass sich Merkels Kreativität und Problemlösungsfähigkeit (und wohl auch ihre Autorität) bereits sichtbar erschöpft haben. Ein aktionsfähiger Kanzler hätte den Bereich Integration aus dem Bereich des BMI herausgelöst und ein neu zu schaffendes Integrationsministerium einem berufenen Kandidaten, wie z.B. dem Liberalen Philipp Rösler, angetragen, der im Gegensatz zu Friedrich wenigstens für 5 Pfennig Glaubwürdigkeit bei seinen Gesprächspartnern hätte beanspruchen können. Doch ein solches Ministerium hätte auch eingefordert werden müssen. Es ist ausgesprochen bedauerlich, dass gerade die eigentlich per definitionem republikanische und bürgerrechtsbewegte FDP hierfür nicht den Bekennermut und die Kraft gefunden hat.

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Der Autor diente ab Anfang 2007 als Chief-of-Staff von Karl-Theodor zu Guttenberg in Berlin. Diesem folgte Brandenstein Ende 2008 als Leiter Strategie und Kommunikation in die Landesleitung der CSU. In dieser Funktion - verantwortlich für die Kampagnenführung der CSU - erstellte Brandenstein ein vertrauliches Strategiepapier, in welchem er gegen eine "Anti-Türkei-Kampagne" der CSU bei den Europawahlen 2009 Stellung nahm. Inzwischen ist Philipp von Brandenstein aus der CSU ausgetreten.

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