Die Lunte aus Zapateros «Ideenfabrik» glimmt

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Die Lunte aus Zapateros «Ideenfabrik» glimmt

von redaktion am 08.01.2010 15:00




Die Lunte aus Zapateros «Ideenfabrik» glimmt
Von Dieter Ebeling, dpa


Madrid - Lange war leise der Schnee auf die Dienstwohnung von José Luis Rodriguez Zapatero im Palacio de la Moncloa im Nordwesten Madrids gerieselt. Am Freitag schlug seinen Gästen immer noch ein eisiger unspanisch anmutender Wind entgegen: Es kamen EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy, Kommissionspräsident José Manuel Barroso sowie EU-«Außenministerin» Catherine Ashton. Zusammen mit Zapatero, dessen Regierung in der Silvesternacht turnusmäßig für sechs Monate die Präsidentschaft der «normalen» EU-Ministerräte übernahm und deswegen «rotierend» genannt wird, präsentierte sich die Europäische Union mit gleich vier Politspitzen. Drei Präsidenten plus die Chefdiplomatin wollen und sollen für die EU sprechen - irgendwie.

Einfach wird es jedenfalls nicht. Das machte Zapatero klar - noch bevor das illustre Quartett zusammenkam, um jeglichen Streit um die Kompetenzen nach dem neuen Lissabon-Vertrag zu dementieren. Die EU hat jetzt mehr Spitzen statt, wie ursprünglich geplant, weniger. Mit dem Vorschlag, künftig verbindliche Ziele für das Wirtschaftswachstum in allen 27 EU-Staaten bis zum Jahr 2020 zu vereinbaren und deren Nichteinhaltung mit schmerzhaften Geldstrafen zu sanktionieren, legte Zapatero Feuer an eine politische Lunte.

Beim EU-Sondergipfel am 11. Februar besteht Explosionsgefahr, falls die Zündschnur zuvor nicht ausgetreten wird. Dass die Europäische Union nach dem Binnenmarkt und dem Stabilitätspakt inklusive der Euro-Währung einen «neuen qualitativen Sprung» (Zapatero) macht und auch die Kontrolle über die gesamte Wirtschaftspolitik der EU-Staaten übernimmt, ist ein alter Herzenswunsch Zapateros und des französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy, der sich selbst als führenden Wirtschafts- und Finanzexperten der EU betrachtet.

Zurückhaltend war die Reaktion in Berlin: Das sei ein legitimer Vorschlag, doch bedeute das noch nicht, dass er verwirklicht werde. Man werde das prüfen, hieß es in Berlin. Die Brüsseler Oberaufsicht der Wirtschaftspolitik ist auch in anderen Staaten durchaus umstritten, sagen EU-Diplomaten. «Die Krise hat zu Bewegung bei jenen geführt, die das bisher abgelehnt haben», meint Wirtschaftsministerin Elena Salgado aber tapfer.

Dass er mit dem Ruf nach Geldstrafen - beispielsweise für den Fall, dass ein EU-Land seine Verwaltung nicht schnell genug auf elektronische Verfahren umstellt - dem ständigen Ratspräsidenten Van Rompuy in die Quere kommen könnte, bestreitet der «rotierende Ratspräsident» Zapatero. «Wenn wir nichts täten, würde man uns Leere vorwerfen. Die rotierende Ratspräsidentschaft ist eine Fabrik von Ideen, von Vorschlägen.» Damit scheint sich Zapatero aber vom bisherigen Verständnis der alle sechs Monate rotierenden Ratspräsidentschaft als einem Gremium für Konsenssuche zu lösen.

Diese undankbare und schwierige Aufgabe fällt stattdessen dem ständigen Ratspräsidenten Herman Van Rompuy zu, der dank seiner Überlebensartistik in der komplizierten belgischen Innenpolitik wider Willen zur Nummer Eins der EU wurde. Flankiert von der Nummer Eins in der Außenpolitik und der Nummer Eins der Kommission. Van Rompuy, ein Mann mit feinstem Sensor für Tretminen, denkt gerade darüber nach, ob er sich beim EU-Sondergipfel über Wege aus der Wirtschaftskrise mit den Staats- und Regierungschefs nicht besser gleich im abseits gelegenen Brüsseler Schlösschen Val Duchesse einsperren lässt.

«Schwierige Zeiten» seien das, seufzte Zapatero: Einerseits wegen der Wirtschaftskrise, andererseits wegen des Neulandes beim Austarieren der Kompetenzen zwischen dem «ständigen» Ratspräsidenten Van Rompuy und dem «rotierenden» Ratspräsidenten. Was durch die neuen Befugnisse Catherine Ashtons, die sich künftig mit einem eigenen Hauptquartier ihres neuen Diplomatischen Dienstes auch räumlich von Ministerrat und Kommission absetzen will, nicht einfacher wird. An Liebesschwüren fehlte es nicht. «Der größte von allen ist Van Rompuy», sagte Zapatero über die Rangfolge der Präsidenten. Und der feinsinnige Belgier hatte schon zuvor beglückt erklärt, es sei sehr schön, «Hand in Hand mit einer so europäisch gesinnten Regierung zu arbeiten».

Antworten Zuletzt bearbeitet am 08.01.2010 15:00.

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