Der Kriegskonflikt - Regierung ringt um Klarheit

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Der Kriegskonflikt - Regierung ringt um Klarheit

von redaktion am 08.01.2010 15:18




Der Kriegskonflikt - Regierung ringt um Klarheit
Von Kristina Dunz, dpa

Die politische Neubewertung des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan ist überfällig. Schon lange erleben die deutschen Soldaten nicht mehr das, wofür sie nach den Terroranschlägen auf die USA 2001 an den Hindukusch geschickt wurden: Stabilisierung und Wiederaufbau. Seit Jahren kämpfen sie in Gefechten, müssen immer mehr Kraft für ihren eigenen Schutz und die Sicherung ihrer Feldlager aufwenden - und der Tod im deutschen Verantwortungsbereich in Nordafghanistan ist heute so nah wie nie.

Die Soldaten sehen sich im Kriegszustand - auch wenn rein juristisch Krieg nur Staaten gegeneinander führen können und nicht von einer Regierung wie in Kabul ins Land gebetene ausländische Truppen gegen Aufständische. Das ist dann ein «nichtinternationaler bewaffneter Konflikt» wie die Bundesregierung den Einsatz nun voraussichtlich bald bewerten wird. Das wurde bei der CSU-Klausur in Wildbad Kreuth am Freitag deutlich. Die Soldaten dürften weiter von Krieg sprechen, wofür Verteidigungsminister Karl-Theodor (CSU) zu Guttenberg auch in Kreuth wieder Verständnis zeigte.

Die neue Bewertung hätte rechtliche Folgen. Denn dann wären die Vorschriften des Völkerstrafgesetzbuchs zu Kriegsverbrechen anwendbar. Danach dürfen Militärziele angegriffen und Kämpfer - etwa der Taliban - getötet werden. Dass dies zur Wirklichkeit und Wahrheit des Bundeswehreinsatzes dazugehört, zeigt der verheerende Luftangriff in Kundus vom 4. September 2009 mit vielen Toten - wie auch immer er strafrechtlich zu bewerten sein wird. Ein deutscher Oberst hatte ihn angeordnet, weil er seine Truppen bedroht sah - und angeblich gezielt Taliban-Führer liquidieren wollte. Die Bundesanwaltschaft prüft seit November, ob der Angriff unter das Kriegsvölkerrecht fällt.

Die Bundeswehr steht vor einer Zäsur. Der Luftschlag könnte nun mehr als alles andere militärische Handeln in ihrer Geschichte der Öffentlichkeit den Wandel zur «Armee im Einsatz» vor Augen führen. Der Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, Ex-Botschafter Wolfgang Ischinger, sagt: «Wir müssen über das Töten sprechen. Soldaten werden dazu ausgebildet, Andere notfalls umzubringen - oder zumindest so zu bedrohen, dass diese es als glaubwürdig betrachten, umgebracht zu werden, wenn sie nicht das tun, was man von ihnen erwartet. Wenn man das nicht braucht, dann kann man das Technische Hilfswerk und die Polizei schicken.»

Genau um diese Frage geht es nun für die Bundesregierung bei der internationalen Afghanistan-Konferenz am 28. Januar in London. Die USA erwarten nach ihrer eigenen massiven Truppenaufstockung Hilfe der NATO-Partner. Die Strategie: jetzt mehr Soldaten schicken und die Taliban schärfer bekämpfen, um schneller abziehen zu können. Angeblich wollen die USA bis zu 2500 zusätzliche deutsche Soldaten. Die derzeitige Obergrenze liegt bei 4500.

Der für seinen neuen Stil der Offenheit so gelobte Guttenberg weicht seit Wochen Fragen aus, welche genauen Pläne er hat. Aus der Nase gezogen wurde ihm bislang nur, dass er 2500 zusätzliche Soldaten für unrealistisch hält und die Zahlen erst nach der Konferenz in London spruchreif seien - was ihm kaum einer glaubt und die Opposition erzürnt. Im Parlament wird kolportiert, dass das Verteidigungsministerium an einem Konzept mit einer «vierstelligen Zahl» arbeite, die klar unter den von den USA erhofften 2500 Mann liege. Von 1000 bis 1500 zusätzlichen Soldaten ist die Rede.

Außenminister Guido Westerwelle (FDP) pocht aber darauf, deutlich mehr Polizisten zu schicken, was nach der bisherigen Erfahrung ebenfalls schwer zu glauben ist. Jahrelang hat vor allem die Bundeswehr in Afghanistan afghanische Polizisten ausgebildet, weil sich keine Polizisten dafür fanden. Dabei ist die Hilfe für die afghanische Polizei eine Hauptaufgabe der Deutschen. Die USA schicken derweil selbst 2500 Soldaten in den deutschen Verantwortungsbereich zur Ausbildung der afghanischen Sicherheitskräfte.

Und noch ein Problem hat die Bundesregierung: Nach Angaben aus der Koalition ist noch nicht geklärt, wie sich Deutschland in London präsentieren wird: Sicher sei nur die Teilnahme Westerwelles. Guttenberg stehe «noch nicht auf der Liste», heißt es. Und Kanzlerin Angela Merkel (CDU)? Von ihr hört man seit Wochen nichts zu Afghanistan. Dass sie aber die von ihr selbst mitinitiierte Konferenz nicht für ihre internationale - und nationale - Bühne nutzen wird, ist kaum zu erwarten. London könnte sozusagen ein Machtwort über die Hintertür werden: Ãœber die Außenpolitik ein Problem im Inland lösen.

Antworten Zuletzt bearbeitet am 08.01.2010 15:18.

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