"Das stachelt den Anti-Atom-Protest an"

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Marylin

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"Das stachelt den Anti-Atom-Protest an"

von Marylin am 12.10.2009 11:52

Dass Schwarz-Gelb den Atomkonsens aufschnüren, den Atomausstieg kippen und den Salzstock Gorleben weiter erkunden lassen will, werde den Anti-Atom-Protest anstacheln, sagt Detlev Ipsen von der Uni Kassel im FR-Interview.

Detlev Ipsen ist Soziologieprofessor an der Universität Kassel und ehemaliges Mitglied des Arbeitskreises Endlager, der 2002 ein Modell für eine neue Atom-Endlagersuche vorlegte.


Schwarz-Gelb will den Atomkonsens aufschnüren, den Atomausstieg kippen und den Salzstock Gorleben weiter erkunden lassen. Er warten sie ein neues Aufflammen des Protest in der Region?

Der Widerstand wird wieder heftig werden, das ist sicher. Die Rückkehr in die Zeit vor dem Atomkonsens wird den Protest anstacheln. Das hat man schon bei der jüngsten großen Anti-Atomkraft-Demonstration in Berlin gesehen. Da waren 50.000 Leute.

Sollte es unter diesem Gesichtspunkt beim Atomausstieg bleiben?


Ja. Denn der Atomausstieg war die Basis für einen konstruktiven Neustart der Suche nach einem Endlager. Die rot-grüne Bundesregierung hat damals Atomgegner und Atombefürworter an einen Tisch gebracht, die ein Konzept dafür erarbeiteten. Das müsste nun umgesetzt werden. Leider kam es weder bei Rot-Grün noch in der großen Koalition dazu. Aber jetzt einfach die Uhr in Gorleben zurückdrehen zu wollen, funktioniert nicht.

Halten Sie es für ratsam, nur den einen Standort weiter zu betrachten?

Das wäre falsch. Es muss eine vergleichende Untersuchung verschiedener möglicher Standorte geben, um nachweisen zu können, dass der beste Standort gewählt wurde. Fehlt das, fehlt bei einer Entscheidung die Legitimation. Ein mögliches Endlager wäre dann noch schwerer durchsetzbar.

Ist Gorleben als Standort denn verbrannt?

Die Tricksereien bei der Gorleben-Auswahl, die in den letzten Wochen bekannt wurden, sind ein handfester Skandal. Sie
machen eine nüchterne Debatte kaum mehr möglich. In einem offenen Verfahren kann man Gorleben aber nicht von vorneherein ausschließen. Sonst wollen auch andere potentielle Standorte ausgenommen werden.

Sind nicht überall, wo Alternativ-Regionen ins Auge gefasst werden, starke Proteste zu erwarten?


Es wird überall eine kritische Bewegung in der Bevölkerung geben – und zwar mit Recht. Es handelt sich in jedem Fall um eine brisante Veränderung im Lebensumfeld der Menschen. Man denke nur an die Castor-Transporte, die stattfinden würden.

Wie müsste eine Bundesregierung vorgehen, um größtmögliche Akzeptanz zu erreichen?

Die Vor-Auswahl muss strikt nach den geologischen Gegebenheiten erfolgen - ohne jede politische Einflussnahme. Dann braucht man eine intensive Bürgerbeteiligung, bei der die Betroffenen von Experten beraten werden, die sie selbst aussuchen können. Zudem muss man der Region Entwicklungschancen aufzeigen, die mit einem Endlager auch verbunden sind – etwa durch ein wissenschaftliches Zentrum, eine Informationsstelle, neu angesiedelte Betriebe sowie Hilfe für eine langfristige regionale Entwicklungsplanung.

Die Planungen für das Endlager für schwach- und mittelradioaktiven Abfall im Schacht Konrad bei Salzgitter haben weit weniger Protest erzeugt als in Gorleben. Ein Modell?

Anfänglich hat man es dort auch völlig falsch gemacht. Danach wurden die Bürger besser einbezogen. Vor allem wurde klar definiert, welche Abfälle dort untergebracht werden sollen – anders etwa als im Fall Asse, wo man die Bürger völlig im Dunkeln ließ. Ohne Konflikte geht es bei Schacht Konrad aber auch nicht ab.

Stromkonzerne sowie Union erwägen, vorab weitere Standorte neben Gorleben zu identifizieren, um sie im Fall der Gorleben-Nichteignung dann schnell untersuchen zu können. Ein Ausweg?

Nein. Wir brauchen eine richtige, seriöse Endlagersuche nach geologischen und sozialen Aspekten. Eine Schmalspurvariante hilft nicht weiter.

Interview: Joachim Wille
Quelle: fr-online.de

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