Immer mehr Verpackungsmüll verschwindet in den dunklen Kanälen einzelner "Dualer Systeme"

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polis
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Immer mehr Verpackungsmüll verschwindet in den dunklen Kanälen einzelner "Dualer Systeme"

von polis am 04.03.2011 17:55




Immer mehr Verpackungsmüll verschwindet in den dunklen Kanälen einzelner "Dualer Systeme"


Verpackungsmüll

Berlin (rdp/ots) - Jede vierte Verpackung wird zwischenzeitlich nicht mehr ordnungsgemäß lizensiert und entsorgt - Deutsche Umwelthilfe entdeckt erhebliche Unterschiede in der Lizenzierungspraxis der "Dualen Systeme" - Zunahme "kreativer" Entsorgungsangebote bedroht eine hochwertige Recyclingwirtschaft in Deutschland - DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch fordert konsequente behördliche Kontrollen und Sanktionen

In den Entsorgungskanälen der "Dualen Systeme" verschwindet Verpackungsmüll. Jede vierte Verpackung ist nach Informationen der Deutschen Umwelthilfe e.V. (DUH) nicht ordnungsgemäß bei einem der neun Unternehmen der "Dualen Systeme" angemeldet. Da der Recyclingmarkt hart umkämpft ist, interpretieren offensichtlich einzelne Systembetreiber die komplizierte Gesetzgebung mit immer trickreicheren Interpretationen der Verpackungsverordnung. Mit Preisdumping und Billigst-Angeboten an Hersteller, die im Rahmen der Produktverantwortung für die Entsorgung ihrer Verpackungen verantwortlich sind, kämpfen die "Dualen Systeme" um die Aufträge - mit der Folge schlechter werdender Recyclingqualität. "Die von wenigen Ausnahmen abgesehen praktisch völlige Abwesenheit behördlicher Kontrollen hat einen faktisch rechtsfreien Raum entstehen lassen. Wir leben aber noch nicht wirklich in Süditalien. Die für den Vollzug der Abfall- und Recyclinggesetze zuständigen Länderbehörden dürfen nicht länger wegschauen, wenn sich Handel und Industrie durch die immer breitere Nutzung von Pseudoentsorgungsangeboten einen finanziellen Vorteil in hoher dreistelliger Millionenhöhe verschaffen und in der Folge Verpackungen und Altprodukte immer weniger qualifiziert recycelt werden", sagte Jürgen Resch, DUH-Bundesgeschäftsführer.

In den deutschen Haushalten fallen jährlich 5,9 Millionen Tonnen Verpackungsabfälle zur Entsorgung über die gelben Tonnen und Säcke sowie über die Altglas- und Altpapiersammlung an. Davon sind aber nur 4 Millionen Tonnen bei den "Dualen Systemen" angemeldet. Besonders dramatisch ist die Situation bei Papier und Leichtverpackungen: Nach Schätzungen der Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung sind 39 Prozent der Papierverpackungen und 31 Prozent der Leichtverpackungen nicht lizenziert. Mit der Nicht-Lizenzierung von Verkaufsverpackungen drücken sich die Hersteller vor Entsorgungskosten von rund 730 Millionen Euro - pro Jahr.

650-700 Euro pro Tonne müssen die Hersteller für die Lizenzierung von Leichtverpackungen bei den "Dualen Systemen" zahlen. Papierverpackungen kosten 120-145 Euro pro Tonne und Glasverpackungen kommen auf 45-60 Euro pro Tonne. Deutlich billiger sind für die Unternehmen sogenannte Branchenlösungen und die behauptete Rücknahme von Verkaufsverpackungen im Handel am Point-of-Sale (POS). Dabei dürfen sie nach der Verpackungsverordnung nur sehr beschränkt eingesetzt werden. Branchenlösungen sind nur für Verkaufsverpackungen, die nicht in privaten Haushalten anfallen, sondern beispielsweise in Krankenhäusern, Schulen, Stadien, Kanzleien und Kantinen, zulässig. Die Kosten für die Verpackungsentsorgung durch Branchenlösungen betragen nur 20 bis 40 Prozent der Lizenzgebühren für "Duale Systeme". Die POS-Rücknahme kommt noch billiger und kostet nur 5 bis 20 Prozent der Gebühren im "Dualen System". Sie ist aber nur dann zulässig, wenn private Endverbraucher diese Verpackungen nachweislich im Handel zurücklassen bzw. in den Handel zurückbringen. Aufgrund der hohen Kosteneinsparpotenziale durch Branchenlösungen und POS-Rücknahme ist die Verlockung für die "Dualen Systeme" groß, diese Möglichkeiten überproportional zu nutzen und so ein besonders günstiges Angebot zu machen. Die DUH hat in einer Umfrage unter den neun "Dualen Systemen" zu den Lizenzierungspraktiken erhebliche Unterschiede zwischen den Unternehmen festgestellt.

"Auch bei einer Spezialisierung auf Kunden in bestimmten Produktsegmenten sind durchschnittliche Branchenquoten von 20 Prozent und in einigen Fällen bis zu fast 50 Prozent sowie angebliche POS-Rücknahme von mehr als 10 Prozent als Durchschnitt aller Kunden in einem 'Dualen System' nicht ganz nachvollziehbar", kommentiert Jürgen Resch. "Die aktuelle Situation bei der Verpackungsentsorgung zeigt, dass die von Bund und Ländern beschlossene 'Selbstkontrolle der Wirtschaft' bei der Verpackungsentsorgung wie zu erwarten war gescheitert ist. Eine ordnungsgemäße und umweltgerechte Verpackungsentsorgung ist nur mit konsequenten Kontrollen der zuständigen Länderbehörden möglich."

Vor allem Großkunden sind im Konkurrenzkampf unter den "Dualen Systemen" die Könige und können die Bedingungen diktieren. "Wenn einzelne Angebote für die Verpackungsentsorgung deutlich unter den Kosten für andere liegen, dann sind die Hersteller im Rahmen ihrer Produktverantwortung verpflichtet, nicht nur auf den Preis zu gucken, sondern auch auf die Leistung, die sich dahinter verbirgt", sagte Maria Elander, Leiterin Kreislaufwirtschaft der DUH. "Die Herstellerverantwortung hört nicht mit dem Aushandeln des günstigsten Angebotes auf."

Hintergrund

Die DUH hat die neun "Dualen Systeme" nach den Lizenzierungspraktiken für Verkaufsverpackungen im Jahr 2009 sowie zu Trends und Gesamtpotenzialen für Branchenlösungen und POS-Lösungen befragt. Vier Anbieter (Belland Vision GmbH, Interseroh Dienstleistungs GmbH, Redual GmbH und Veolia Umweltservice Dual GmbH) haben mit Hinweis auf Geschäftsgeheimnisse keine Angaben zu Anteilen an Branchenlösungen bzw. POS gemacht. Fünf Unternehmen (Duales System Deutschland GmbH, EKO-Punkt GmbH, Landbell AG, Vfw GmbH und Zentek GmbH & Co. KG) haben mengenbezogene Daten zu Branchenlösungen und POS geliefert, wobei die Landbell AG nachträglich die Veröffentlichung der Daten untersagt hat. Die Antworten belegen deutliche Unterschiede zwischen den Systembetreibern.

Auffällig ist unter anderem die offensichtlich sehr unterschiedliche Handhabe der POS-Rücknahme. Im Jahr 2009 haben die Kunden von EKO-Punkt und Zentek gar keine POS-Mengen gemeldet; die Kunden vom Dualen System Deutschland durchschnittlich 0,3 Prozent und die Kunden von Vfw durchschnittlich 11,2 Prozent. Nach Berechnungen der DUH hätten demnach die Kunden der übrigen Systemanbieter (Belland Vision, Interseroh, Landbell, Redual/Reclay und Veolia) im Durchschnitt 14,4 Prozent ihrer Leichtverpackungen und 8,0 Prozent ihrer Glasverpackungen am POS zurückgenommen. Dabei schätzt die Mehrzahl der dualen Systeme das durchschnittliche Gesamtpotenzial für POS-Rücknahme auf 1-3 Prozent der privaten Verkaufsverpackungen.

Diese Schätzung deckt sich mit Beobachtungen der DUH in Einzelhandelsgeschäften. Bei Testbesuchen in insgesamt 10 Lebensmittel- und Drogeriemärkten wurde das Verhalten von 334 Kunden beobachtet. Die Kunden haben jeweils mehrere Produkte gekauft, insgesamt aber nur neun Verpackungen abgegeben. Kein einziger Kunde hat Verpackungen von Zuhause mitgebracht. Angenommen, jeder Kunde würde ein bis fünf verpackte Produkte kaufen, entspräche dies einer durchschnittlichen POS-Rücknahmequote von 0,5-3 Prozent.

Während der für alle dualen Systeme durchschnittliche Anteil der Branchenlösungen laut dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag bei 9 Prozent liegt, ergibt eine differenzierte Betrachtung ein anderes Bild. Den höchsten Anteil an Branchenlösungen (als Durchschnitt für Papierverpackungen, Leichtverpackungen und Glasverpackungen) hat Vfw mit 45 Prozent, den niedrigsten EKO-Punkt mit 0,3 Prozent; Zentek liegt bei 13 Prozent und Duales System Deutschland bei 4,9 Prozent. Im Durchschnitt wären nach Berechnungen der DUH die Kunden der anderen Systemanbieter (Belland Vision, Interseroh, Landbell, Redual/Reclay und Veolia) demnach mit 20,9 Prozent ihrer Papierverpackungen, 19,9 Prozent ihrer Leichtverpackungen und 1,8 Prozent ihrer Glasverpackungen an Branchenlösungen beteiligt.

Der Anteil branchenfähiger Verkaufsverpackungen eines "Dualen Systems" hängt vor allem von den Produktpaletten und Vertriebsstrukturen seiner Kunden ab. So wird beispielsweise der Großteil Süß- und Backwaren sowie Kaffee, Tee und Kakao an private Verbraucher verkauft. Systeme, die hauptsächlich Kunden in diesen und anderen Segmenten des Lebensmittelbereichs haben, können entsprechend nur geringe Mengen Verpackungen an Branchenlösungen beteiligen. Systembetreiber, die z.B. überwiegend Hersteller von medizinischen Produkten oder von Autoersatzteilen unter Vertrag haben, können höhere Branchenanteile ansetzen.

Antworten Zuletzt bearbeitet am 04.03.2011 17:56.

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