Höhenrausch

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polis
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Höhenrausch

von polis am 24.05.2011 17:53




Höhenrausch
von polis-Gastautor Thomas de Torquemada

Im Rausch redet der Mensch oft Dinge zusammen, die ihm im nüchternen Kopf entweder nie entfleuchten, oder aber nach Ernüchterung peinlich sind. Ob der Rausch nun vom Alkohole o.ä. herrührt oder das Gefühl des Sieges gleichermaßen besoffen macht, kann dahinstehen. Betrachtet man nämlich die Hintergründe für diesen grünen Rausch, so tritt schnell Ernüchterung ein. Die Erfolge in Baden - Würtemberg und Bremen sind weniger Ausdruck eigener Stärke als vielmehr der Schwäche der anderen.

Gerade Baden-Württemberg zeigt, warum die Grünen besonders in der Eigenwahrnehmung unbesiegbar erscheinen. Das eine ist der schlichte Zufall eines Erdbebens in Japan mit entsprechend an Hysterie grenzender Auswirkung im Allgemeinen (Jodtabletten, Geigerzähler), wie im Konkreten (der an Peinlichkeit kaum zu übertreffende Umgang hiermit seitens der anderen bis hin zu Kehrtwendungen der Selbstverleugnung). Das andere ist die Arroganz der Etablierten, die formvollendet sich in Gestalt des dicken, feisten, unbeweglichen, eingebildeten, bornierten Herrn Mappus inkarnierte. Was die SPD anbelangt - nun diese hat seit Schröder ein Problem, vielleicht schon vorher, da die klassische Rollenverteilung der sozialdemokratischen Arbeiterschaft in Auflösung begriffen der Versuch Schröders Tony Blairs "New Labour" nachzuäffen nach hinten losging und seitdem keiner der oberen Genossen in der Lage gewesen ist, den das Spiel nach vorne öffnenden Paß zu schlagen, man sich vielmehr defensiv hinten vermauert und den Machterhalt nach dem Motto: "Bloß kein Eigentor" betreibt.
Die FDP - nun ja, lassen wir das Schänden von Leichen, die sich selbst gerichtet haben und als Untote durch die Gegend geistern, dabei aber lauthals posaunen, sie seien quicklebendig wie noch nie. Zu allem manifestierte sich die gebetsmühlenartige "Volksnähe" der politischen Elite in Gestalt ihres Umgangs mit Stuttgart 21. Besser konnte sich auch ein Mubarak beim Ausbau eines Assuanstaudamms gegenüber den entmündigten und enteigneten Fellachen nicht verkaufen.

Schaut man genauer hin, wer gegen diese Politik vom grünen Tisch protestierte, so waren es nicht die klassischen Gruppen, die man dort erwartet hätte, sondern eine kaum zu überbietende biedere Bürgerlichkeit, die ihrem Unmut Ausdruck verlieh: der Wutbürger. Konservativ bis liberal, politisch korrekt, akademisch gebildet, in breiten Kreisen schon verrentet, besser: pensioniert. Dieses Bürgertum nun hat etwas gesucht, seinem Frust auch politisch Ausdruck zu geben, nachdem sich CDU, SPD, FDP selbst aus dem Rennen genommen und unwählbar geworden sind. Wen aber wählt der politisch korrekte Protest? Die LINKE mit Sicherheit nicht, die Rechten ebensowenig, da man danach nicht mehr guten Gewissens schlafen könnte. Also blieben nur die Grünen, die für diese Klientel die ausgewogene Mischung zwischen Protest, Dünkel, Besitzstandsdenken und reinem Gewissen darstellt. Zumal die Grünen selbst mittlerweile den Anstrich guter Bürgerlichkeit annehmen, liest man in ihrer Wahlwerbung den penetrant mit ökologischem aufgehübschten Hinweis auf Heimatverbundenheit u.ä. Der Erfolg der Grünen ist also letztlich darauf gegründet, daß bei Abwägung als geringstes Übel empfunden er nichts anderes ist als eine bürgerlich politisch korrekte Protestwahl.
Aber keine Angst, der Prozeß der Entzauberung hat längstens begonnen. Mit dem bürgerlichen Gewand, welches sich die Grünen geben, verschwindet auch der Rest an gesellschaftskritischem und -wandelndem Elan, so daß sie sich nolens volens in die Riege der Etablierten einreihen. Was nicht zuletzt hervortritt am Gehabe ihrer Köpfe, sei es eines Joschka Fischer, sei es anderer in Ehren ergrauter Gestalter, die sich ohne mit der Wimper zu zucken, von den alten, ehemals geschmähten Eliten gutdotiert vereinnahmen lassen.

Und hinter all dem leuchtet das eigentliche Problem, die Gefahr der Erosion auf, daß mit dieser Entwicklung nunmehr wirklich die Zeit der Alternativlosigkeit beginnt: Wenn der Weg der Grünen in die Mitte vollendet sein wird (was sich an ihrem Werken in der aktiven politischen Verantwortung entkleiden wird), dann wird die wohlsituierte Bürgerlichkeit ratlos vor der Frage stehen, welche Alternative noch bleibt.

Antworten Zuletzt bearbeitet am 24.05.2011 17:57.

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