Das Schweigen der Lämmer

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polis
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Das Schweigen der Lämmer

von polis am 16.05.2011 20:05




Das Schweigen der Lämmer
von polis-Gastautor Ulrich Kasparick


Kasparick

Sie schweigen alle.
Die Sozialdemokraten, die christlich-unierten, die Grünen,die Liberalen, die Linken, die Piraten – alle.
Die Jusos ebenso wie die anderen Jugendorganisationen der Parteien. Die Seniorenvereinigungen der Parteien ebenso wie die Arbeitsgemeinschaften.

Und die Menschen ersaufen. Vor Lampedusa.
FRONTEX wird’s schon richten.

Der „Tatort“ musste sich des Themas annehmen – weil sie alle schweigen.
Stillschweigend tolierieren die Parteien in Europa, das da Menschen zu hunderten einfach absaufen im Mittelmeer.
Wenige Journalisten nur sind es, die auf diesen Skandal aufmerksam machen, wenige blogger helfen mit ihren Möglichkeiten.
Der „Spiegel“ hat dankenswerter Weise das Thema auf dem Schirm und bleibt wach, wenige andere Tageszeitungen greifen das Thema auf.

Und FRONTEX marschiert.
Um Menschen abzuwehren. Sie dürfen auf gar keinen Fall die europäische Küste erreichen.
Der Hunger hat sie getrieben oder die Hoffnung auf ein etwas besseres Leben. Flüchtlinge sind sie geworden.
Und das christliche Europa zeigt sich von seiner wahren Seite: es zeigt das kalte Herz, das es regiert.

Seit Wochen versuche ich hier mit diesem kleinen blog mit zu helfen, daß dieser Skandal ein Ende findet.
Dem Schreiber bleibt das Schreiben. So ist es.
Es ist nicht viel, aber es ist auch viel.

Die Kirchen mahnen, die katholische ebenso wie die evangelische. Die Hilfswerke rufen, nichtstaatliche Organisationen fordern die Politik auf, endlich wirksam zu handeln und den Flüchtlingen zu helfen.

Alles vergebens.

Sie schweigen.
Alle.

Wir schweigen nicht.
Wir weisen hin auf diesen Skandal vor Lampedusa und in den anderen Flüchtlingscamps, die das christliche Europa eingerichtet hat, um Menschen in Not abzuwehren.
Wir verbinden uns mit den Menschen, die diesen Skandal nicht hinnehmen wollen.
Jeder mit seinen Möglichkeiten.

Wo die Demokratie versagt, muss sich der Bürger selbst um die Dinge kümmern, die eigentlich Sache von Parlament und Regierung wären.
Doch die sind offensichtlich nur noch mit sich selbst beschäftigt.
Und lassen die Menschen einfach ertrinken.
Vor Lampedusa.
FRONTEX wird’s richten.

Es ist mehr als höchste Zeit, daß Europa sich öffnet und eine moderne Flüchtlings- und Integrationspolitik betreibt. Dazu gehört es vor allem, den Menschen wirksam zu helfen, damit sie gar nicht erst auf die Flucht müssen.
Deshalb müssen die Ursachen der Flucht endlich bekämpft werden: europäische Agrarsubventionspolitik an erster Stelle.
Solange Europa in Afrika die Märkte zerstört mit billigen Landwirtschaftsprodukten, solange Europa auf diese Weise die Menschen zur Flucht treibt – solange gibt es kein einziges Argument für eine Organisation wie FRONTEX.
Solange an europäischen und anderen Börsen mit Lebensmitteln und ihren Rohstoffen spekuliert werden darf – solange werden die Menschen weiter in die Flucht getrieben, denn sie können ihr täglich Brot nicht mehr bezahlen. Die Spekulation mit Lebensmitteln und ihren Rohstoffen muss verboten werden. Das können Parlamente und Regierung in Form eines Gesetzes beschließen.
Der Text eines solchen Gesetzes ist einfach: „Spekulation mit Lebensmitteln und ihren Rohstoffen ist in Europa verboten.“
FRONTEX ist die falsche Antwort auf die Frage, wie wir in einer gemeinsamen Welt leben könnten.
Abgrenzung hilft niemandem, sondern schadet allen.
Der Geist der Kooperation, des Miteinander, der Geist der UN-Menschenrechtscharta und der UN-Charta – dies muss an erster Stelle stehen und unser Handeln bestimmen.
Der Geist der Ausgrenzung, der Abschottung, der Geist von Mauern und Zäunen gehört in die vergangenen Zeiten des Kalten Krieges, aber er kann niemals Zukunft eröffnen.

Deshalb: wacht auf in den Parteien! Wacht auf in den Redaktionen! Wacht auf in den Arbeitsgemeinschaften! Wacht auf an euren Computern!
Europa versinkt – vor Lampedusa.
Wenn wir den Flüchtlingen nicht wirksam helfen.

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Ulrich Kasparick war langjähriger SPD-Bundestagsabgeordneter und parlamentarischer Staatssekretär im Forschungs- und Verkehrsministerium. Er arbeitet inzwischen als Schriftsteller und Publizist.

Antworten Zuletzt bearbeitet am 16.05.2011 20:29.

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