Ankommen im Uckerland

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polis
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Ankommen im Uckerland

von polis am 17.10.2011 16:16

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Ankommen im Uckerland

von polis-Gastautor Ulrich Kasparick

Ulrich Kasparick

Erstellt am Oktober 11, 2011

Der erste Tag. Früh um neun bin ich in Berlin aufgebrochen. Es regnete. Und es war kalt. Um elf hatte ich einen ersten Termin in Pasewalk, war mit einer Fachfrau für Abrechnungsfragen verabredet, denn ich muss mich hineinfinden in die Verwaltung von 11 Predigstellen und 9 Friedhöfen, die zur Kirchegemeinde Uckerland gehören. Nach zwei Stunden brummte mir zwar der Schädel, aber sehr viel schlauer war ich nicht. Glücklicherweise haben wir verabredet, dass ich jederzeit anrufen kann, wenn ich Fragen habe ...., das gibt eine gewisse Gelassenheit.

Dann ging's „raus auf die Dörfer". Eine halbe Stunde Weg etwa. Den Schlüssel zum Haus habe ich seit Sonntag, seit die Einführung war mit etwa 100 freundlichen und interessierten Menschen. Auf der Baustelle – die untere Etage des alten Pfarrhauses wird hergerichtet – herrschte Stille. Die Kastanienbäume rauschten ihr Willkommen.
Also stieg ich die schmale Treppe hinauf in den nutzbaren Raum oben unterm Dach, dort war ein wenig geheizt und versuchte, Verbindung zu Internet zu bekommen. Mein kleines netbook mit dem Vodafone-Stick hatte ich mitgebracht. Strom war da. Schon mal gut. Doch der PC am Arbeitsplatz verlangte ein Passwort, das ich nicht habe, also doch das netbook. Ob eine Kabelverbindung funktioniert? Ich probier's. Ja, es gelingt. Eine Verbindung kommt zu Stande, sogar skype klappt nach ein paar Anläufen brauchbar. Facebook ist auch erreichbar. Gut.

Dann schaue ich mich um, stöbere in den Räumen in der oberen Etage. Ein wenig unsortiert liegen da die verschiedensten Relikte in den kleinen Dachstübchen. In den siebziger und achtziger Jahren haben hier Jugendfreizeiten stattgefunden. In einem Raum finde ich die „Schatzkammer": die alten Chroniken und Kirchenbücher. Unendlich Stoff für lange Winterabende. Besonders das 20. Jahrhundert interessiert mich. Ich werde es mir nach und nach erschließen.

Unten fährt ein Auto vor. Stimmen.
Ich gehe nach unten: die Architektin ist gekommen und hat einen Zimmerer mitgebracht. Er soll sich einen Balken „ansehen" und beurteilen, wie man ihn sanieren kann. Es wird eine längere Operation, bis ungefähr klar ist, wie die Arbeiten gehen können.
Die Umbauarbeiten machen Fortschritte. Elektrik, Heizung und Installationen sind soweit vorbereitet, dass der Estrich eingebracht werden kann. „Da wär es schön, wenn Sie tagsüber kräftig lüften könnten, wenn Sie im Haus sind" bittet mich die Architektin. „Wenn hier in allen Räumen Estrich eingebracht wird, da sind dann etliche Liter Wasser in der Luft.....".

Der Zeitplan sieht vor, dass etwa Mitte Dezember Einzug sein kann.
Es sieht so aus, als sei das zu schaffen. Wenn auch immer wieder neue „Entdeckungen" zu erwarten sind, wie jener Balken, der heute zu besichtigen war.....

Das Telefon klingelt. Ein Nachfahre eines alten uckermärkischen Adelsgeschlechts meldet sich und möchte einen Termin vereinbaren, an dem er sich auf der Spur seiner Vorfahren ein paar Kirchen ansehen kann. Wir verabreden uns zu einem späteren Zeitpunkt, wenn ich ihm sagen kann, wer die Kirchenschlüssel hat....

Hunger meldet sich. Es ist nachmittags halb vier, ich hab seit dem Frühstück nichts gegessen, also mache ich mich auf den Weg ins Nachbardorf, wo ich Quartier genommen habe, bis die Bauarbeiten abgeschlossen sind. Dort ist jedoch niemand erreichbar im Moment, also fahre ich weiter in die Stadt, um notwendige Einkäufe zu machen. Ich hab ja eine Ferienwohnung und bis auf das Frühstück bin ich Selbstversorger, der Kühlschrank will gefüttert werden. An einer Tankstelle mache ich Rast für ein spätes Mittagessen...
Nach dem Einkauf rufe ich nochmal im Quartier an, erreiche nun jemanden, fahre zurück auf die Dörfer und ziehe ein. Ein großer Koffer, ein paar Akten, Fotosachen, netbook, Handy, Rucksack.
Die Wirtin hat einen freundlichen Hund, der mich begrüßt, sie gibt mir den Schlüssel und bringt mich auf's Zimmer.
Auspacken, Sachen in den Schrank, Kühlschrank auffüllen.
Ankommen.
Die Zugvögel ziehen über den Wald.

Ein wunderbarer Vollmond lächelt durch die Wolken.
Der erste Tag....

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Ulrich Kasparick, ev. Theologe und ehemaliger Jugendpfarrer , war langjähriger SPD-Bundestagsabgeordneter und parlamentarischer Staatssekretär im Forschungs- und Verkehrsministerium. Er arbeitet inzwischen als Schriftsteller und Publizist. Seit dem 9. Oktober 2011 ist Ulrich Kasparick Gemeindepfarrer der Evangelischen Kirche im Uckerland.

 

Antworten Zuletzt bearbeitet am 17.10.2011 16:18.

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